Strüngmann-Award, Benjamin Herchert/1E9

Schlaglicht auf Dark Genome: Eli Lilly wählt Haya

Eli Lilly wagt ganz neue Ansätze beim Megathema Adipositas. So lässt sich die neue Kooperation mit der Schweizer HAYA Therapeutics SA interpretieren, bei der es zwar auch um die Entdeckung neuer regulatorischer Genom-Targets für Adipositas und verwandte Stoffwechselkrankheiten geht. Doch diesmal soll die proprietäre RNA-Plattform von HAYA das "dunkle Genom" nach bisher völlig Unbekanntem durchforsten.

ANZEIGE

Von den 300 Millionen Quadratkilometern Meeresboden unseres Planeten sind nur fünf Prozent erforscht. Manche sagen deshalb, der Mond sei besser erforscht als die Tiefsee. Aber auch der Mond hat seine dunkle Seite noch nicht vollständig enthüllt, ähnlich wie das menschliche Genom. Zwar wurden die rund 3,2 Milliarden Basenpaare des haploiden menschlichen Genoms um die Jahrtausendwende erstmals vollständig sequenziert, doch die Ernüchterung war groß, als sich herausstellte, dass vermutlich nur etwa 1% davon für ein Protein kodieren.

Die restlichen 99 Prozent wurden wahlweise als DNA-Schrott, als irrelevante Mitgift der Evolution oder eben als „dark genome“ bezeichnet. Erst allmählich setzte sich die Erkenntnis durch, dass in diesen 99% nicht-kodierender Basenpaare die wesentlichen Elemente der Genregulation schlummern, die das Ablesen von Genprodukten in so genannten „open reading frames“ ermöglichen und damit auf Signale aus der Umwelt oder aus dem Organismus selbst reagieren. Diese Regulation erfolgt über chemische Modifikationen der Chromosomen, aber auch sehr stark über eine Vielzahl von RNA-„Enzymen“, die über ihre Tertiärstruktur oder direkter als spezifische Sequenzpromotoren eine lebenswichtige Rolle für das An- und Abschalten von Genen spielen.

Haya Therapeutics wurde 2019 von Dr. Samir Ounzain und Dr. Daniel Blessing in Lausanne, Schweiz, gegründet, um sich genau diesen verschiedenen RNA-Elementen zu widmen und neue Zielmoleküle für Fehlregulationen bei Krankheiten zu identifizieren. 2022 wurde Haya zum Start-up des Jahres in der Schweiz gekürt und diesen Sommer gewannen die beiden Gründer den erstmals vergebenen Andreas und Thomas Strüngmann Award (Foto) – eine weitere Anerkennung für ihren Ansatz und einen ihrer Investoren, der an eine weitere Erfolgsgeschichte glaubt.

Das mag sich nun auch bis zu Eli Lilly herumgesprochen haben, einem Unternehmen, das derzeit vor allem damit beschäftigt zu sein scheint, Produktionskapazitäten für vorgefüllte Diät-Spritzen aufzubauen oder solche an den regionalen Standorten zuzukaufen, wo diese Spritzen an die wartende Bevölkerung gebracht werden sollen. Aber auch die Innovationsabteilung von Eli Lilly schläft nicht und hat nun einen Milliardendeal mit Haya gestrickt. Ab heute gilt eine mehrjährige Vereinbarung mit Eli Lilly and Company zur Nutzung von HAYAs fortschrittlicher RNA-gesteuerter regulatorischer Genomplattform zur Unterstützung der präklinischen Arzneimittelforschung für Fettleibigkeit und verwandte Stoffwechselkrankheiten. Die Partner werden mehrere aus dem regulatorischen Genom abgeleitete RNA-basierte Zielmoleküle zur Behandlung dieser chronischen Erkrankungen identifizieren.

Im Rahmen der Zusammenarbeit erhält HAYA eine Vorauszahlung, einschließlich einer Kapitalbeteiligung, und hat Anspruch auf präklinische, klinische und kommerzielle Meilensteinzahlungen von insgesamt bis zu 1 Mird. US-Dollar sowie Tantiemen auf Produktverkäufe. HAYAs firmeneigene Plattform zur Entdeckung des regulatorischen Genoms „ermöglicht die Identifizierung von gewebe-, krankheits- und zellspezifischen langen nicht-kodierenden RNAs (lncRNAs) und die Entwicklung von RNA-gerichteten Therapien mit potenziell verbesserter Wirksamkeit und geringerer Toxizität“, so das Schweizer Unternehmen. Das Interesse am „dunklen Genom“ wächst also rasant. Erst vor wenigen Tagen hatte Bayer mit NextRNA eine Kooperation im Wert von 540 Mio. Dollar vereinbart.

SIE MÖCHTEN KEINE INFORMATION VERPASSEN?

Abonnieren Sie hier unseren Newsletter